3.5. Die Produktivgenossenschaft

»Dies ist das unendliche Recht des Subjekts, daß es sich selbst in seiner Tätigkeit und Arbeit befriedigt findet.«[561]

„Die Idee der Produktivgenossenschaft erlebte ihren Höhepunkt in den Jahrzehnten zwischen der Revolution von 1848 und der Gründung des Deutschen Kaiserreiches von 1871. Die Allgemeine deutsche Arbeiterverbrüderung, im August 1848 in Berlin gegründet und zugleich die erste Arbeiter-Massenbewegung in Deutschland, sah in der Produktivgenossenschaft das entscheidende Mittel, eine Gesellschaftsreform und die Emanzipation des »vierten Standes« zu erreichen. (...) Eine erste produktivgenossenschaftliche Gründungswelle ging damals durchs Land. Das Scheitern der Revolution und die einsetzende politische Reaktion -zum Teil auch die Verschärfung der Gewerbeordnung [S. 289] - bliesen der Bewegung jedoch bald das schwache Lebenslicht aus. Erst das liberalere Klima der sechziger Jahre ermöglichte einen zweiten Anlauf. Für den Zeitraum von 1860 bis 1878 sind reichsweit etwa 300 Produktivgenossenschaftsgründungen bekannt geworden. Viele dieser Unternehmungen fielen, soweit sie bis dahin nicht aus anderen Gründen gescheitert waren, der schweren Gründerkrise nach dem Deutsch-Französischen Krieg im Jahre 1873 zum Opfer. Damit war bis zum Ersten Weltkrieg die Konjunktur produktivgenossenschaftlicher Unternehmen weitgehend beendet.“[562]

Die Aufarbeitung der produktivgenossenschaftlichen Thematik ist schwierig und wird sich auch hier nicht zufriedenstellend leisten lassen[563]. Denn wenngleich SCHULZE-DELITZSCH die »Assoziation zu gemeinsamer Produktion« bzw. Produktiv-Assoziation ausdrücklich als den »Gipfelpunkt des ganzen Systems« anerkannt hat[564], ist ihre Methode der Herbeiführung bis heute noch nicht ausgereift. Genau genommen stehen seit ca. 1890 nur Minderheiten der Intellektuellen ungebrochen für die Produktivgenossenschaft ein, und so siecht die Gewinnung eines theoretischen Fundamentes dahin, obgleich es seit 1831[565] bis in die Gegenwart hinein Produktivgenossenschaften gibt und ihre Entwicklung für eine alternative Organisation der Arbeit als zentral angesehen werden muß[566]. Aber so wichtig die Entwicklung einer anwendungsfreundlichen Konzeption der Produktivgenossenschaft ist, so ungeliebt bleibt die Idee seitens jener, die gegen jegliche Alternative zu den etablierten Abhängigkeitsbeziehungen und Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Machtblöcken sind. Während die Produktivgenossenschaft den einzig denkbaren freiheitlichen Weg einer alternativen Arbeitsplatzmarktorganisation beschreibt, muß sie sich in ihrem Geburtsstadium bereits gegen allerlei ideologische Angriffe verteidigen[567]. Der Gedanke, daß ihre Spielfiguren sich verselbständigen könnten, muß den Herren -das lehrt der sozialpsychologische Determinismus -ungeheuerlich bis unvorstellbar erscheinen[568].

[S. 290] Doch die Spielfigur oder das Ausbeutungsobjekt des einen ist sich selbst in erster Linie Mensch und sucht als Mensch unter und mit Menschen »sein unendliches Recht«, wie es HEGEL nannte. Darum hat es auch immer -trotz alledem -Vereinigungen gegeben, die fortlaufend »erfanden«, was wir als Produktivgenossenschaft auffassen.

Die größte Übereinstimmung mit dem hier vertretenen theoretischen Ansatz OPPENHEIMERs weist die von ENGELHARDT anempfohlene Definition CHARLES GIDEs auf. Danach sind Produktivgenossenschaften Unternehmen, in denen jeder Beschäftigte Teilhaber und jeder Teilhaber beschäftigt ist[569]. Sie läßt sich noch schärfer zuspitzen, wenn man die in GIDEs Spätwerk formulierte kürzeste aller Genossenschaftsdefinitionen zugrunde legt: „der gerechte Preis!“[570] oder auf die Produktivgenossenschaft angewendet: der gerechte Preis für Arbeit.

Danach ist die Produktivgenossenschaft primär eine Unternehmung, in der alle beschäftigten Teilhaber einen Konsens über die inneren Angelegenheiten (Produkt, Produktionsform, Ertragsteilung etc.) anstreben und auch eine Chance auf Realisierung haben, da die Verfügungsrechte an der Unternehmung in ihren Händen liegen.

Indem sie als Organisationsform funktioniert, wirkt sie sekundär nach außen, aber nicht, indem sie den Marktmechanismus des Güter-oder Geldmarktes verändert, sondern ausschließlich durch Wirkung auf die Machtkonstellation Arbeitgeber-Arbeitnehmer am Arbeitsplatzmarkt.

Alle Konstruktionsversuche von Produktivgenossenschaften sind nach dem hier vertretenen Ansatz daraufhin zu befragen, ob sie der Erfüllung dieser Aufgabenstellung dienen oder nicht. Es mögen sich aus der primären Aufgabe bestimmte Prinzipien ableiten lassen, die der besonderen Betriebsform gerecht werden. Möglicherweise lassen sich gar spezifische Merkmale der Produktionsweise feststellen, da es den Genossen vor allem um eine Optimierung des Arbeitsertrages geht, und somit der Aufwand der Anschaffung den Ertrag der Arbeitserleichterung nicht übersteigen darf. Aber mit jedem dieser Schritte entfernen wir uns bereits von dem Kern, denn die gewählten Verfahrensweisen sind nicht Selbstzweck, sondern Mittel. [S. 291]

Kritisch muß man m. E. sehen, wenn in der alternativökonomisch-produktivgenossenschaftlichen Literatur ein sogenanntes »Subsistenzprinzip« genannt wird, wonach es nicht darum gehe, Privateinkommen zu maximieren. Einmal abgesehen davon, daß eine Produktivgenossenschaft für ihre Produkte am Markt keine höheren Preise erzielen kann als qualitativ vergleichbare Produkte anderer Produzenten, und daß von daher -eine monopolistische Marktbeherrschung durch eine Produktivgenossenschaft selbstverständlich ausgeschlossen -die Ertragsmöglichkeiten einer produktivgenossenschaftlichen Unternehmung nach oben durch den Markt selber begrenzt sind, geht es natürlich genau darum, das Einkommen aus Arbeit zu optimieren, also mit geringstmöglichem Aufwand einen größtmöglichen Ertrag zu erzielen. Wer sich dieses Ziel als Produktivgenossenschaftler nicht setzt, verschwendet seine Energie mit suboptimalen Handlungen.

Damit wird noch nichts darüber gesagt, mit welcher Leistungsverdichtung und mit welchem Einkommenswunsch eine Gruppe wirtschaftet. Deswegen ist der Begriff der »Einkommensmaximierung« auch in jeder Hinsicht unglücklich gewählt, denn welche Ziele ein produktivgenossenschaftlicher Verbund verfolgt, muß und kann in dem Verbund als Werthaltung flexibel ausgehandelt werden. Eine Produktivgenossenschaft hört nicht deswegen auf, eine Produktivgenossenschaft zu sein, weil man dort Spitzengehälter verdient[571]. Statt der »Einkommensmaximierung« liegt als Motiv eine Genußoptimierung nahe, die ein Optimum aus Arbeitsertrag und Arbeitsaufwand sucht und sich vor allem an einer sinnvollen Aufteilung wertvoller Lebenszeit orientiert (↑ 216). Was an Diensten gegenüber Dritten (= Arbeit) geleistet werden muß, wird vermutlich unverändert so effektiv wie irgend möglich erledigt, schon alleine deshalb, weil gut funktionierende Abläufe und gelungene Werke mehr »Spaß« machen bzw. Positiv-Spiegel der eigenen Leistungsfähigkeit sind.

Aber selbst oder gerade dann, wenn der Mensch ein Streben nach Faulheit realisiert (ohne zu diesem Zwecke den Nebenmenschen versklaven zu können), wird jeder Handgriff doppelt genau überlegt und, wenn möglich, unterlassen. Nur der Sportler verbraucht Energie aus Betätigungsfreude und anderen selbstbestimmten Genußmotiven. So kann eine »gemütlich« arbeitende Produktivgenossenschaft eine optimierte Realisierung des ökonomischen Prinzips, gemessen in Lebens-Werten, darstellen. Es geht also nicht um die Aufhebung irgendwelcher Optimierungsbestrebungen, sondern

a) um die Flexibilisierung bestimmter Unternehmensziele im Sinne einer Genußoptimierung und
b) um die gerechte Teilung des gemeinschaftlich erzielten Ertrages.

Bei dem Thema »Produktivgenossenschaften« ist es angebracht, die Realebene der Genossenschaftspraxis und die publizistisch vertretene Wahrnehmungsebene der Wissenschaft als gesonderte »Realität« zu behandeln. Es hat in der Praxis stets Produktivgenossenschaften gegeben; in anderen europäischen Ländern wohl mehr [S. 292] als in Deutschland und in Deutschland in wechselnden Schüben, ausgelöst durch die Arbeiterverbrüderung um 1848, durch den Liberalismus (SCHULZE-DELITZSCH) 1860, durch staatliche Initiative zur Versorgung der Heimkehrer nach dem ersten Weltkrieg, durch Gewerkschaftsinitiative besonders nach größeren Streiks sowie in der Form von Produzenten-Verbraucher-Gemeinschaften, in denen sich Produktivgenossenschaften und Konsumgenossenschaften zunächst ergänzt haben, bis erstere ganz als Produktionsbetriebe der Konsumgenossenschaften in diese eingeflossen sind[572].

Der europäische Dachverband der Arbeits-und Produktionsgenossenschaften CECOP[573] vereinigt 40.000 Produktionsgenossenschaften mit 800.000 Arbeitsplätzen[574]. In Deutschland gab es 1921 noch 1.302 Produktivgenossenschaften[575], in Westdeutschland 1990 nur noch 13 Produktiv-und 23 Produktionsgenossenschaften[576] sowie in den fünf neuen Bundesländern 1993 ca. 600 Produktivgenossenschaften[577].

In Deutschland, wo sonst immer gerne alles schneller -größer -besser gemacht wird, kann dieses Mißverhältnis kaum jemanden erschüttern. Statt dessen stößt man auf intellektuelle Ausgrenzungsversuche, von denen ENGELHARDT einige zusammenfaßt:

„In der Folgezeit ging ROBERT LIEFMANN[578] soweit, Produktivgenossenschaften als Objekt der Genossenschaftslehre völlig fallenzulassen. Er argumentierte, daß es sich bei ihnen nicht um Genossenschaften sondern um Gesellschaften handele, die die Mitglieder nicht nur fördern, wie die anderen Genossenschaftsarten, sondern die deren gemeinsame Erwerbswirtschaft bilden. HANS FUCHS[579] präzisierte, daß zwar Begriffsbestimmungen der Produktivgenossenschaften möglich seien, in Anbetracht der Transformation der lediglich in statu nascendi eine Besonderheit darstellenden Gebilde jedoch eine Theorie über sie unmöglich sei. PETER ALBRECHT[580] schließlich nannte schon seine Definition eine »reine«, d.h. idealtypische, welche die in der Praxis regelmäßig vorkommenden Gebilde nicht zu erfassen erlaube.“[581]

[S. 293] Denen, die da über Begriffe agieren ohne die dahinterstehenden sozialen Bewegungen zu erfassen, ließe sich aus etwas anderem Zusammenhang vorhalten:

„Nicht das Leben richtet sich nach den juristischen Konstruktionen, sondern die juristischen Konstruktionen sollen sich nach dem Leben richten, und die Regeln, die wir nach den Lebensbedürfnissen aussprechen, soll der Jurist hintennach konstruieren, wenn er es nicht kann, dann ist er ein schlechter Jurist.“[582]

3.5.1. Wirtschaftspolitik und Arbeitsplatzmangel

Nachdem die Arbeitslosigkeit unter der Wirtschaftspolitik LUDWIG ERHARDs ihren Schrecken verloren hatte, wurde der Wirtschaftsminister immer wieder gefragt, ob sich ähnliche Ereignisse wie die Weltwirtschaftskrise von 1929 mit ihren Folgeschäden wiederholen könnten. ERHARD erklärt in einem Beitrag zunächst die Ursache der Weltwirtschaftskrise und geht anschließend auf den Selbstregulierungsmechanismus der Marktwirtschaft ein[583], in der es eigentlich keine »natürliche« Arbeitslosigkeit gibt -von einem hingenommenen Leerlauf bei Arbeitsplatzwechseln, saisonabhängiger Beschäftigungsintensität und Krankheit einmal abgesehen. ERHARDs Gedankengang folgend möchte ich Arbeitslosigkeit auffassen als Ergebnis verschiedener kultureller Regelungen, die in ihrer Summe Arbeitslosigkeit ergeben.

Arbeitslosigkeit ist keine Erfindung der Natur; in dieser gibt es nur Arbeitsunfähigkeit. Vielmehr muß man klar sehen, daß der Mensch (und nur dieser) eine Reihe von Regelungen, Gesetzen, »Normalitäten« der Anschauung entwickelt hat, die seine gesellschaftliche Realität festschreiben. Das Problem mit den Regelungen ist, daß die Akteure wohl fest an ihre bestimmte Wirkung glauben, doch ist ihre Fernwirkung meist eine andere als die unmittelbare Anschauung ergibt. Logisch klären lassen sich Fernwirkungen nur in einem theoretischen System, wie es ERHARD und OPPENHEIMER erarbeitet hatten.

Wenn der Politiker sich veranlaßt sieht, ein »Investitionsprogramm« zur Förderung neuer Arbeitsplätze aufzulegen, dann nimmt er erst einmal per Steuer all jenen Bereichen das Geld, die auch ohne sein Wohlwollen funktionieren würden. Er handelt, ohne vorher zu berechnen, wieviele Arbeitsplätze er mit seiner Handlung in gesunden Branchen vernichtet, weil er deren Wettbewerbsfähigkeit verschlechtert. Nun steht also Geld zur Verteilung an, was die Nutznießer immer freut. Doch da dies nur wenige sind, braucht man Beamte zur Auswahl der Nutznießer. Auch Beamte kosten Geld bzw. binden Wirtschaftskraft. Nach welchen Kriterien erfolgt dann die Geldvergabe? Nach den Fähigkeiten eines produktiven [S. 294] Industriemanagements oder eines Subventionsmanagements? Das Geld bekommt nicht, wer gut wirtschaftet (sozusagen als Prämie), sondern wer mit der Politik und ihren Umverteilungsmechanismen zurechtkommt, also tendenziell Zeit auf ein unproduktives Subventionsmanagement verwendet. Meistens sind die Interventions-Fantasien der Subventionsgeber in wirtschaftlichen Angelegenheiten obendrein konservativ. Das liegt daran, daß die Kompetenz der Akteure nicht soweit reicht, um sich Neues vorstellen zu können. Man hält den sprichwörtlich gewordenen »Heizer auf er E-Lok«, solange dies bezahlt werden kann, und verhindert notwendige Entwicklungen, weil die Volksseele Mitleid mit dem Heizer hat. Das Mitleid ist berechtigt, und das Verteilen milder Gaben an den Heizer würde auch kaum stören. Aber man verteilt eben gerade keine Gelder an Personen, um deren Umorientierung zu fördern, sondern subventioniert das Kapital, dem die Vernichtung droht.

Bei der Sicherung der Wettbewerbsordnung bedarf es bereits einer stimmigen Theorie; bei der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit gar eines ganzen Systems. Wenn aber in einen Kausalmechanismus eingegriffen wird, ohne daß die gegenläufigen Folgen der beabsichtigten Wirkung bekannt sind, dann schafft man sich heute seine Probleme von morgen, weil man sich über die Wirkung des eigenen Handelns im Irrtum befindet. Man steckt in einem »Gefangenendilemma« und ist sein eigener Gegenspieler (um eine von Ökonomen viel diskutierte Figur zu gebrauchen[584]).

Die Frage ist, wie lassen sich hilfreiche und schädliche Aktionen unterscheiden? Wenn ich hier den Text von ERHARD einschiebe, dann um das Risiko der angesprochenen Figur zu unterstreichen. ERHARD, der als Wirtschaftspolitiker fraglos erfolgreich war, hat mehr als »nichts« unternommen; er hat nach seinem Selbstverständnis die Wirtschaft an den richtigen Stellen befreit und eingebunden. Es wäre mir wichtig, von dieser Seite das Gegensatzpaar einer politischen Festsetzung des Wirtschaftsmechanismus und einer Freisetzung des Selbststeuerungsmechanismus herauszuheben, damit die intellektuelle (nicht finanzielle) Förderung der Produktivgenossenschaft als Fluchtpunkt aus dem Dilemma erkannt wird. Er kann angesteuert werden, ohne daß negative Fernwirkungen nach dem hier vertretenen System befürchtet werden müssen. Man mag schwanken mit seinen Hoffnungen bezüglich des produktivgenossenschaftlichen Lösungspotentials; darüber wissen wir nur wenig. Aber: die Produktivgenossenschaft stellt eine Flexibilisierung und Dynamisierung bestehender Strukturen in Aussicht, von denen keine negativen Fernwirkungen ausgehen. Dies festzustellen, wäre bereits eine Empfehlung. Denn es passiert im ungünstigsten Falle nichts und im günstigsten Falle etwas Positives, was andere Strategien nicht behaupten können. LUDWIG ERHARD:

„Die Weltwirtschaftskrise -um das deutlich zu machen -resultierte nicht aus zu engen Verbindungen der Volkswirtschaften, sondern aus zu geringen und dazu noch falsch angelegten Beziehungen. Man kurierte an den Symptomen, anstatt die Wurzel des Übels freizulegen, und man begnügte sich mit der Errichtung einer technisch gerade [S. 295] noch manipulierbaren Scheinordnung, statt die Einsicht und den Mut zu freiheitlichen und organischen Lösungen aufzubringen. Die allumfassende, d. h. die anpassende, in sich selbst ruhende, gleichgewichtige nationale und zwischenstaatliche Ordnung wurde preisgegeben und durch ein vielmaschiges Netz mechanistischer Teillösungen ersetzt, die unter sich mehr oder minder beziehungslos, in ihrer Gesamtheit das ganze Chaos deutlich werden ließen. Das war die Geburtsstunde der Devisenzwangswirtschaft, die Unfreiheit und Unmoral auslöste und die letzten Reste des Außenhandels noch zum Tummelplatz diskriminierender Praktiken und staatlicher Verfälschung echter Werte und Leistungsbeziehungen machte. Unter den immer stärker aufkommenden planwirtschaftlichen Vorstellungen erstickte jede schöpferische Initiative, und das Gefühl der Ausweglosigkeit und Hilflosigkeit schuf eine Atmosphäre tiefer Resignation. Der immer größer werdenden Arbeitslosigkeit mit einer Deflationspolitik begegnen zu wollen, mußte sich naturnotwendig als ein verhängnisvoller Fehler erweisen, der der Wirtschaft gar noch die letzten Impulse raubte.
Der Teufelskreis war geschlossen. Eine nur noch mit künstlicher Bluttransfusion und mit einem stark zusammengeschrumpften Weltmarkt notdürftig verbundene Nationalwirtschaft, wie z. B. die deutsche, vermochte den arbeitsfähigen Menschen aus all den vorerwähnten Gründen keine ausreichende Beschäftigung mehr zu geben. Eine immer kleinere Zahl von arbeitenden Menschen mußte eine immer größere Zahl von Erwerbslosen unterstützen. Das mit dem Absinken des Volkseinkommens immer weiter schrumpfende Sozialprodukt gefährdete oder zerstörte sogar die Existenzgrundlage weiter Teile der Volkswirtschaften. Das an sich verständliche Streben der Unternehmer, an den immer kleiner werdenden Umfang des Sozialprodukts wenigstens pro rata beteiligt zu sein und die aus dem absinkenden Volkseinkommen sich ständig verringernde Nachfrage möglichst gleichmäßig über die Breite der Volkswirtschaften bzw. die Betriebe eines Wirtschaftszweiges zu verteilen, führte dann zu einer Übersteigerung des nationalistischen Denkens und einer Unternehmerpolitik, die dem Wahn huldigte, daß eine Anpassung -und das hieß in diesem Fall eine Verkürzung -der Produktion an den Bedarf die Übel heilen könnte. Tatsächlich wurde dadurch das Unheil nur immer größer, denn jeder Produktionsverzicht führte zu neuem Einkommensausfall, zu weiterer Arbeitslosigkeit, zu steigenden Kosten bei rückläufigen Umsätzen. Nachdem aus dem Versagen der Regierungen durch den Zusammenbruch der Weltwirtschaft die Zerstörung der Währung und die Auflösung jeder festgefügten Ordnung so weit fortgeschritten waren, muß wohl zugegeben werden, daß die Lage durch ein richtiges unternehmerisches Verhalten allein nicht mehr zu retten bzw. zu korrigieren war. Aber dies kann und darf auch darüber nicht hinwegtäuschen, daß der seinerzeit beschrittene Weg, durch Kartelle das Übel heilen zu wollen, der untauglichste von allen war.
Die Begriffe von freiheitlicher Ordnung, freiem Wettbewerb und freier Preisbildung, ehrlichem Geld und weltweiter freier Offenheit waren in jener tragischen Zeit der Vorstellungswelt der Völker und vor allem der verantwortlichen Staatsmänner so sehr entrückt, daß ein Rückblick aus unserer heutigen Sicht fast gespenstisch anmutet. (...)
Damit komme ich, ohne die tragischste Phase der deutschen Geschichte in wirtschaftspolitischer Hinsicht ausdeuten zu wollen, zu der Betrachtung unserer Gegenwart und stelle die jeden Staats-und Weltbürger interessierende Frage, ob wir heute tatsächlich gegen eine mögliche Wiederholung jener politischen, wirtschaftlichen und sozialen Katastrophe gefeit sind! Die Frage kann mit einem glatten Ja beantwortet werden, wenn ich damit gewiß auch nicht sagen möchte, daß, abgesehen von allen denkbaren politischen [S. 296] Erschütterungen, nicht auch aus der ökonomischen Entwicklung heraus unserer gesellschaftspolitischen Entwicklung Gefahren erwachsen könnten. (...)
Ich kann meine Sorge nicht beschwichtigen, daß wir trotz aller möglichen Vorhaben in der Sucht des alles Organisieren-und Harmonisieren-wollens verstricken und dabei nicht nur das Gefühl für das wirklich Organische und Harmonische verlieren, sondern uns von diesem Zustand immer weiter entfernen. Unser technisches Zeitalter verleitet zweifellos zu einer mechanistischen Betrachtung auch des gesellschaftspolitischen Lebens, und darum gilt es, diese allerdings tödliche Gefahr nie aus dem Auge zu verlieren. (...)
Eine Weltwirtschaftskrise, wie sie vor dreißig Jahren fast wolkenbruchartig über uns kam, wird sich gewiß nicht mehr ereignen, und ebenso undenkbar ist es, daß sich in der Zukunft wirtschaftliche Wechsellagen zu sozialem Unheil erlebten Ausmaßes verdichten können. Der falschverstandene Keynesianismus kann als ebenso überwunden gelten wie die frühliberalistische Vorstellung, nach der der Staat in wirtschaftliche Prozesse nicht eingreifen dürfe. (...) Die tatsächliche Gefahr kommt, wie ich nicht oft genug wiederholen kann, von den Gesellschaftsmechanikern und Gesellschaftsromantikern, die da glauben, das vielschichtige Leben eines Volkes am Reißbrett aufzeichnen zu können, die den mannigfach verwobenen Prozeß des Zusammenwirkens freiheitlicher Kräfte als einen Mechanismus begreifen oder von romantischen Vorstellungen einer Sozialordnung ausgehen, die von dem Menschen, wie ihn Gott geschaffen hat, völlig abstrahiert. (...) Wenn wir uns also das Leben und die Freiheit bewahren wollen, dann gilt es wach zu sein und dem Überhandnehmen der Anfänge zu wehren, die in ihrer Wirksamkeit leider schon nicht mehr zu verkennen sind.“[585]

Man erkennt in diesem Text eine Palette der Mahnungen vor Entwicklungstendenzen, die uns heute allesamt schon wieder überrollt haben. Auf nationaler und europäischer Ebene wächst unaufhaltsam eine technokratische Scheinordnung heran. Als kleinen Bruder der Devisenzwangswirtschaft kennen wir die europäische Währungsschlange. Sie verhindert eine wechselseitige Realbewertung der Volkswirtschaften und legt jenen Mechanismus lahm, der dafür sorgt, daß Exporte und Importe einander stets die Waage halten. Aller nationaler Protektionismus, der heute schon wieder den Oberton politischer Gesänge bestimmt, hätte keine Berechtigung, wenn Exporte und Importe ausgeglichen wären. Denn bei Wertäquivalenz der Ströme könnte eine Nationalwirtschaft arbeitsseitig so behandelt werden, als gäbe es den Außenhandel nicht. Alle Krisenursachen müßten dann schonungslos bei den eigenen Binnenregelungen gesucht werden. Dagegen stellt die im Privatökonomischen verharrende Wirtschaftslehre immer wieder die »internationale Wettbewerbsfähigkeit« der einzelnen Betriebe in den Vordergrund, weswegen die Unternehmen rationalisieren müßten, Lohnnebenkosten zu senken seien und unterm Strich, selbst bei »ökonomischer Prosperität«, mit ansteigenen Arbeitslosenzahlen bis gegen 6 Millionen »natürlich« zu rechnen sei. Stellen wir dieser privatökonomischen Sichtweise eine nationalökonomische entgegen, kommen wir zu anderen Schlüssen. [S. 297]

Anschließen möchte ich mich auch der Mahnung, die HORST FRIEDRICH WÜNSCHE unter Bezugnahme auf ERHARDs Konzeption der Sozialen Marktwirtschaft formuliert hat:

„Naturgemäß kann Wirtschaften in einer marktwirtschaftlichen Ordnung nur unter denen zur Kooperation führen, die am Markt wirklich teilzunehmen vermögen. Für jenen, der keinen Zugang zum Markt findet, stellt sich die Frage seiner wirtschaftlichen Existenz zwangsläufig außerhalb der Marktwirtschaft, als sozialpolitisches Anliegen, als Pochen auf die Solidarität der Gesellschaft, als Anspruch im Rahmen eines Verteilungskampfes. Mit einem nicht für jedermann offenen Markt wäre geradezu ein Zwang zu grenzmoralischen Verhaltensweisen geschaffen.[586]
Das Problem des Marktzuganges für sämtliche Mitglieder der Wirtschaftsgesellschaft muß an allen Aktionspunkten wirtschaftlichen Handelns und wirtschaftlicher Prozesse gelöst sein: bei der Einkommensentstehung, der Einkommensverwendung und im Produktionsbereich.
Einmal geht es dabei um Einkommensquellen: Wer seinen Bedarf am Markt decken will, muß dort selbst etwas anbieten können. In den meisten Fällen wird dieses Angebot die eigene Arbeitskraft sein, das heißt aber: Arbeitslosen ist keine originäre Marktteilnahme möglich. Durch Arbeitslosigkeit wird das marktwirtschaftliche System vielmehr aufgespalten, werden Alimentationen nötig. Mit ihnen spaltet sich auch die Moral der Gesellschaft: Leistung, Leistungsgerechtigkeit, Eigenverantwortung und Initiative gelten im einen Bereich, Bedürftigkeit und Fürsorge im anderen. Mannigfache Verzerrungen treten hiermit auf, denn Marktprozesse werden durch Umverteilungen doppelt gestört: Der Entzug von Mitteln mindert die Leistungsbereitschaft der Betroffenen; die Zuteilung schmälert das Leistungspotential der Begünstigten. Die Prognose der Grenzmoral -daß die höhere Moral auf die niedere herabgezogen wird -beschreibt den sozialen Leistungsstaat als einen, in dem statt »Pionierunternehmen« Subventionsempfänger und statt Arbeitnehmer, die nach Leistung entlohnt werden wollen, solche Leben, die ihre Ansprüche kennen -dies alles aber keineswegs als moralisch verwerflich gilt, sondern im Gegenteil: Zurückhaltung, »verschämte Armut« werden in dieser Sozialgesinnung geächtet:[587] Die neue Moral achtet nicht die Leistung für andere, sondern hält die umfassende Ausschöpfung des Sozialrechts für honorabel. Sollen Entwicklungen dieser Art vermieden werden, soll eine auf Dauer funktionsfähige marktwirtschaftliche Ordnung errichtet werden, ist es unverzichtbar, daß heißt ein konzeptionelles Erfordernis, daß Vollbeschäftigung erreicht wird.“[588]

Es wurden in Kapitel 2.4. (↑ 183 ff) bereits jene Gründe zusammengetragen, die Unterbeschäftigung und Krise zu systemimmanenten Erscheinungen kapitalistischer [S. 298] (Un-)Ordnung werden lassen. Ich will diese Ausführungen nicht wiederholen, sondern von dem etwas anderen Standpunkt einer wirtschaftenden Gruppe aus fragen, ob sich der einzelne Mensch mit seinen Mitteln in und gegenüber der kapitalistischen (Un-)Ordnung politisch und ökonomisch wirksam verhalten kann. Dabei ist mir bewußt, wieviel mehr zu einer Abhandlung dieses Themas gehört als das, was sich hier auf wenigen Seiten behandeln läßt.

Gewiß, es besteht die Gefahr einer sozialromantischen Idealisierung der Produktivgenossenschaft, die zwar der Volkswirtschaft gleichgültig sein kann, aber einzelne Menschen möglicherweise zu einer Anstrengung veranlaßt, die nicht mit Erfolg gelohnt wird. Denn aus Sicht des in bestimmter Weise vorgestimmten Theoretikers bildet die Produktivgenossenschaft die »Krone des Genossenschaftswesens«, bevor die konkreten Umsetzungstechniken bekannt sind. Wenn die Produktivgenossenschaft gesellschaftliche Normalität geworden wäre -so läßt sich denken -, dann wäre der Kapitalismus in seinen Grundfesten dauerhaft besiegt. Deswegen muß nicht jede Unternehmung unbedingt als Produktivgenossenschaft organisiert sein, aber als Ziel könnte man formulieren, daß kein abhängig Beschäftigter irgendwo schlechtere Bedingungen hinnehmen muß, als ihm die Produktivgenossenschaft als Vereinigung aus freier Arbeit bieten kann.

Wir sind bei den vorangegangenen Betrachtungen zu der Anschauung gelangt, daß der Druck der »Reservearmee« die Höhe des Mehrwerts bestimmt, den der kapitalistische Arbeitgeber dem abhängig Beschäftigten als eine Art Differentialgewinn (↑ 180) abzwingen kann (↑ 102, 209). Diese Aussage wurde dahingehend umformuliert, daß die Knappheit an Arbeitsplätzen den Preis des Arbeitsplatzes in die Höhe treibt, den ein Arbeitsplatzkäufer dem Arbeitsplatzverkäufer zu bezahlen hat. Besitzer und Produzent der Arbeitsplätze ist der Unternehmer. Käufer und Konsument der beanspruchten Unternehmerdienstleistung ist der Arbeiter. Die Bezahlung der Unternehmerdienstleistung erfolgt, indem der Arbeiter auf einen Teil seines Lohnes verzichtet, den er erzielen könnte, wenn er selber seinen Arbeitsplatz einrichten könnte, also Eigentümer desselben wäre. Es mußte bei dieser Betrachtung zugestanden werden, daß ein Mensch freiwillig die abhängige Beschäftigung wählt, weil er z. B.

- die Dienstleistung des Unternehmers beanspruchen will oder

- seine Selbsteinschätzung dahin geht, daß er mit seinem Dienst in einem etablierten Unternehmen höhere Erträge erzielen kann als durch eine selbständige Tätigkeit.

Aber: in dieser Reinform stellt sich einem einzelnen Menschen die Frage gegenwärtig aus einem Grunde nicht, der in der gesellschaftlich verwurzelten Reife zur Selbstorganisation zu suchen ist. Das objektive Problem der Organisationsfähigkeit von Produktivgenossenschaften besteht darin, daß sie nicht auf einer singularen Entscheidung beruhend entstehen kann, sondern sich als Vielheit organisieren muß. Das heißt, bevor die Genossenschaft produktiv werden kann, muß sie sich als Gründungsmannschaft sozial konstituiert haben. Warum die soziale Gruppenbildung vom Standpunkt der Selbstorganisation bedeutsam ist, will ich hier nicht [S. 299] vertiefen. Es gibt einen produktionstechnisch zwingenden Grund zur Organisation einer Vielheit, nach welchem Modus (fremd-oder selbstbestimmt) auch immer.

Die erste Frage eines Produzenten (Dienste oder Güter anbietende Person) in der Marktwirtschaft muß lauten, wie kann ich einem anderen nützlich sein. Wer diese Frage nicht beantwortet hat, braucht über alles weitere nicht nachzudenken. Unter den Gütern und Diensten, die sich anbieten lassen, gibt es nun solche, die der Ein-zelne selbständig herstellen kann, z. B. Bilder malen, sich selber verkaufen etc., und es gibt solche Leistungen, die ich hier als »komplexe Dienste« bezeichnen möchte. Komplexe Dienste sind deswegen besondere Leistungen, weil sie etwas zusammenfügen oder entstehen lassen, was der einzelne Mensch mit seinen Kräften nicht gleich gut oder billig entstehen lassen kann. Nehmen wir ein Motorrad als Beispiel. Würde jemand beginnen, dieses Ding aus eigener Kraft zu fertigen, wäre er Jahre damit beschäftigt, alleine die Kenntnisse zu sammeln, die notwendig sind, um das Gefährt zu bauen. Ein Unternehmen dagegen fügt eine Gruppe spezialisierter Personen zusammen, die jeweils einen Teilbereich bewältigen. In der Summe dieser Einzelfähigkeiten entsteht das Produkt und hat, alle Personen zusammengenommen, nicht mehr Arbeitsleistung abgefordert als ein halbes Mannjahr. Oder anders formuliert: es gibt Produkte, die der einzelne Mensch erstellen kann und bei denen die Konkurrenz der nach Selbständigkeit drängenden Anbieter deswegen auch extrem hoch ist. Das Kunststück der Produktivgenossenschaft müßte dagegen darin bestehen, entweder mit einem komplexeren Produkt an den Markt heranzutreten oder als Teileinheit eines komplexen Produktionsverbandes eine spezialisierte Teilleistung einzubringen.

Die privatkapitalistischen Unternehmen haben dieses Organisationsproblem auf ihre Weise gelöst. Sie blicken oft auf eine Firmengeschichte zurück, bei der aus dem Einzelunternehmer durch Erfolg irgendwann ein Herr über ein größeres Unternehmen wurde und später durch Ausweitung der gleichen Grundidee eine Kapitalgesellschaft noch größeren Ausmaßes. Diese Unternehmen sind also natürlich gewachsen, wobei eine vielfach größere Zahl der Versuche auch im Ansatz bereits gescheitert ist. Die zweite Form der Unternehmensentstehung ist die des bereits akkumulierten Kapitals, welches es ermöglicht, quasi »vom Reißbrett« herunter die Planung einer komplexen Produktionsstätte umzusetzen.

Die Produktivgenossenschaft muß und kann hier über den sozialen Vereinigungsmodus anders ansetzen. Es macht keinen Sinn, sich gemeinschaftlich der Produktion einfacher Dienste zu widmen, deren Marktsituation durch den schärfsten Wettbewerb gekennzeichnet ist. Gefunden werden muß das komplexe Produkt oder die eigene Stellung in einem komplexen Produktionsverband. Beide Organisationsleistungen setzen eine Fähigkeit zur gemeinschaftlichen Orientierung voraus, die nicht natürlich gegeben ist, sondern als soziale Aktionsmöglichkeit entwickelt sein muß. Wenn aber nun eine assoziationsfeindliche Gesellschaft die in ihr lebenden Individuen mit falschen Lebenskonzepten auseinandertreibt und ihren »Beuteobjekten« obendrein klarmacht, daß sie sich im Falle einer Assoziation nur selber schaden würden, dann ist die Produktivgenossenschaft kulturell behindert [S. 300] und muß sich als Subkultur auf gegenläufiger Wertebasis konstituieren -und zwar bewußt!

Kann der »kapitalistische Organisator« von einer Gruppe in Eigenleistung ersetzt werden?

Ich möchte diese Frage grundsätzlich positiv beantworten, weil mir alle »Gegenbeweise« unschlüssig erscheinen. Die Produktion von Arbeitsplätzen ist unter bestimmten Randbedingungen durch weit mehr Menschen möglich als heute auf dem Markt der Arbeitsplatzproduzenten auftreten. Ein Überangebot der Ideen und Möglichkeiten würde aber nahezu alle Verkrustungen aufbrechen, die die Politik heute in machtvoller Ohnmacht konstruiert. Darum sollte man einen jeden ermutigen, der unter kalkuliertem Risiko eine Pioniertat wagt und so jene Erfahrungen schafft, die Wissenschaft dann erst zu Lehren systematisieren könnte, so Wissenschaft nicht selber Erfahrungen durch Experimente schafft.

3.5.2. Das »Gesetz der Transformation«

Eine Arbeit über FRANZ OPPENHEIMER und die Genossenschaftstheorie wäre unvollständig, wenn darin das sogenannte »OPPENHEIMERsche Transformationsgesetz« unbehandelt bliebe. Ich habe an anderer Stelle dargelegt, daß die vorwiegend vertretene Auffassung dieses Transformationsgesetzes auf Zitier-und Interpretationsfehlern beruht[589]. Über eine Abfolge ungeschickter und vielleicht auch böswilliger Verkettungen ist in die Literatur eine Gesetzes-Behauptung eingezogen, die es bei OPPENHEIMER in dieser Form nicht gibt. Man behauptet unter Bezugnahme auf OPPENHEIMERs »Siedlungsgenossenschaft«, daß er die Unmöglichkeit der industriellen Produktivgenossenschaft bewiesen habe. Entstehungs-und Verbreitungsort ist die Universität zu Köln, an der HANS FUCHS 1927 in einer Doktorarbeit[590] der von ENGELHARDT oben bereits kritisch angeführten Position ROBERT LIEFMANNs folgt, der die Produktivgenossenschaft als Genossenschaft gar nicht anerkennen möchte bzw. die harte Formel vertritt: „Neunzig Jahre Erfahrung und Tausende von Versuchen in einem halben Dutzend verschiedener Länder und beinahe jedem Industriezweig haben den schlüssigen Beweis dafür geliefert, daß die Produktivgenossenschaften nach kürzerer oder längerer Dauer meist wieder zur Auflösung gekommen sind oder aber eine derartige Umformung und Änderung ihrer Wesensart erfahren haben, daß sie als Produktivgenossenschaften nicht mehr angesehen werden können.“[591]

Die harte Gangart gegen die Produktivgenossenschaft wurde nach dem Krieg von GERHARD WEISSER aufgegriffen. Er warnte vor dieser Genossenschaftsform nachdrücklich: [S. 301]

„Der Erstatter dieses Gutachtens hat schon in den Jahren 1945 und 1946 als Generalsekretär des Zonenbeirates der Britischen Zone zuständige Stellen der Flüchtlingsländer mehrfach davor gewarnt, Produktivgenossenschaften der Geschädigten (und übrigens auch Kriegsbeschädigten) als geeignete Unternehmensformen für gewerbliche Geschädigtenunternehmen im Sinne von Ziffer 17 bis 19 zu fördern. In den meisten Fällen erweist sich diese Unternehmensform als ungeeignet. Nach längst international feststehenden Ergebnissen der Genossenschaftstheorie pflegen Produktivgenossenschaften entweder aus Mangel an Kapital, Disziplin und Absatzmöglichkeiten zu scheitern oder aber sich im Falle des Gelingens in kleinkapitalistische Unternehmen zu verwandeln, die durchaus die gleichen -unter Umständen noch härtere -innerbetriebliche soziale Spannungen aufweisen, wie dies auf privatwirtschaftliche Industrieunternehmen vielfach zutrifft.“[592]

Alle diese Behauptungen entbehren der eigenständigen empirischen Untersuchung und sind nochmalige Zuspitzungen eines Materials, das OPPENHEIMER 1896 vor einem ganz bestimmten politischen Hintergrund zusammengetragen hatte. OPPENHEIMER behauptet eine betriebswirtschaftliche Schwierigkeit (bis Unmöglichkeit) industrieller Produktivgenossenschaften (z. B. Volkswagenwerk als Produktivgenossenschaft), nicht hingegen von handwerklichen Produktivgenossenschaften, schon gar nicht von landwirtschaftlichen Produktivgenossenschaften und ebensowenig von Produktionsgenossenschaften. Und dann formulierte er zu dieser Schwierigkeitsfeststellung obendrein noch Randbedingungen, nämlich die realen Verhältnisse seiner Zeit: Kapitalismus, fehlende Ausbildung der Arbeiter, fehlendes Vermögen der Arbeiter, kein Zugang zu den klassenmonopolistisch besetzten Absatzwegen.

Man stelle sich den Versuch vor, eine industrielle Einrichtung, wie etwa das Volkswagenwerk, als Produktivgenossenschaft zu führen. Bis heute würde man darin den letzten aller denkbaren Schritte eines entfalteten Genossenschaftswesens sehen, selbst wenn dieser Schritt vorstellbar wäre. Das Transformationsgesetz hat mit alledem jedoch nichts zu tun, denn dieses Gesetz legt nur dar, daß die idealistisch-normative Begrifflichkeit der Produktivgenossenschaft unter kapitalistischer Randbedingung unerfüllbar ist. Man forderte von der Produktivgenossenschaft vor 100 Jahren gemäß den Rochdaler Idealen, daß sie sich gleich »edel« wie die Konsumgenossenschaften verhalten sollten, also jeden zuzulassen hätten und eine vollkommene Gleichheit nach innen verwirklichen müßten. Dieses Ideal der Theoretiker ist in der Praxis jedoch nicht durchführbar. Die Produktivgenossenschaft muß sich im Gegensatz zur Konsumgenossenschaft abschließen und als Kampfverband [S. 302] in feindlicher Umgebung behaupten, kann unter kapitalistischer Randbedingung also nur in der Form einer (harmonisierten) disharmonischen Genossenschaft geführt werden, während die Konsumgenossenschaft a priori als harmonische Genossenschaft gilt (↑ 147).

HANS FUCHS schrieb nun richtig, daß der Tatbestand der Transformation gegeben sei, wenn Lohnarbeiter beschäftigt werden oder wenn nicht-arbeitende Genossen oder beides zusammen vorhanden sind. Er wendet sich aber gegen das alte Verständnis der (weltfremden) Theoretiker, die eine Transformation bereits gegeben sahen, wenn die Produktivgenossenschaft keine Neuaufnahmen mehr vornimmt[593]. Genau diese Auffassung wollte auch OPPENHEIMER in der Theorie durchsetzen. Unter »Transformation« verstand man damals nicht den Wechsel in eine »kleinkapitalistische Unternehmung«, wie WEISSER meinte, sondern den Formwechsel von der Produktiv- in die Produktions-Genossenschaft. Für die Produktionsgenossenschaft gilt die Definition, wonach »alle Beschäftigten Teilhaber und jeder Teilhaber beschäftigt ist«, nicht. In ihr kann es wieder zu einer Ausbeutung des Nebenmenschen kommen, muß aber nicht.

Ein Zitierfehler von FUCHS, der seinerseits tief in die Literatur eingegangen ist und Gegenstand von Ausdeutungen des sogenannten »Transformationsgesetzes« geworden ist, wiegt an diesem Punkt schwer. FUCHS bringt das »Gesetz der Transformation« auf die knappe Formel: „Nur äußerst selten gelangt eine Produktivgenossenschaft zur Blüte; wo sie aber zur Blüte gelangt, hört sie auf, eine Produktivgenossenschaft zu sein.“[594]

Das »Zitat« lautet bei OPPENHEIMER: „Nur äußerst selten gelangt eine Produktionsgenossenschaft zur Blüte. Wo sie aber zur Blüte gelangt, hört sie auf, eine Produktivgenossenschaft zu sein.“[595] Damit meint OPPENHEIMER etwas gänzlich anderes als FUCHS hineininterpretiert, daß nämlich die Produktionsgenossenschaft schwierig und keineswegs unmöglich ist. Wenn sie aber gelingt, dann nicht in der Form der Produktivgenossenschaft, wie es die (weltfremden) Theoretiker sich von ihren Schreibtischen aus vorgestellt haben. Als Verkäufergenossenschaft funktioniert eine produzierende Genossenschaft nach anderen Gesetzen als eine Käufergenossenschaft. Diese schwerwiegende Erkenntnis hatte OPPENHEIMER bei einer Untersuchung des Genossenschaftswesens entdeckt und deswegen verlangt, daß man die Dinge fortan anders anschauen müßte.

„Ich habe in meiner »Siedlungsgenossenschaft« den Unterschied der Entwicklung zwischen »Käufergenossenschaften« und »Verkäufergenossenschaften« aufgedeckt. Jene (Konsumverein, Kredit-, Rohstoff-, Werk-und Baugenossenschaft) sind, solange sie Käufergenossenschaften bleiben, jedem Beitrittslustigen offen und haben eine durchaus demokratische Verfassung; diese (Produktiv-und Magazingenossenschaften) werden durch ein »ehernes Gesetz der Transformation«, das jede individuelle Verschuldung [S. 303] ausschließt, aus freien Genossenschaften umgewandelt in Ausbeutergenossenschaften mit aristokratischer Verfassung, welche sich gegen Beitrittslustige sperren. Die Ursache dieser Verschiedenheit liegt darin, daß dort eine Interessensolidarität, hier ein Interessengegensatz besteht; das Motiv darin, daß der Beitritt neuer Mitglieder zu einer Käufergenossenschaft den Dividendus des Gewinns stärker vermehrt als den Divisor, während umgekehrt der Beitritt neuer Mitglieder zu einer Verkäufergenossenschaft den Divisor des Gewinns immer stärker vermehrt als den Dividendus: dort steigt mit der Genossenzahl der Einzelgewinn bis Unendlich, hier sinkt er bis auf Null und darunter.“[596]

Gesperrte Produktionsgenossenschaften können demnach bestehen, offene Produktivgenossenschaften nicht. Folglich kann es keine Produktivgenossenschaften geben. Löst man sich allerdings von der Forderung nach Offenheit -und die Wissenschaft hat sich von dieser Forderung gelöst -dann hat man die Figur einer Produzenten-Assoziation, die sich am Markt behaupten muß und auch kann. Ihr sind die Mitbewerber zwar »Gegner«, wie einer kapitalistischen Unternehmung auch; wegen ihres feindlichen Umfeldes muß sie sich ferner als Kampfverband organisieren, was eine gewisse »Aristokratie« zur Folge haben kann. Aber dessen ungeachtet kann die Produzenten-Assoziation eine andere Realität nach innen umsetzen, indem die Teilhabe an den Erträgen, der »gerechte Preis« für Arbeit, realisiert wird und sie das Klassenmonopol der Kapitalisten bei der Arbeitsplatzproduktion durchbricht. Wem dies als Ziel genügt, der mag an der gewerblichen Produzenten-Assoziation weiter arbeiten und sie nennen wie er will. Das OPPENHEIMERsche Transformationsgesetz behauptet weder, daß man auf diesem Wege zwangsläufig dem Konkurs zusteuere, noch wird die Erfolglosigkeit alternativer innerbetrieblicher Arbeitsformen behauptet.

Doch mußte (aus der Sicht von 1896) eine unmögliche Vorstellung der Wissenschaft fallengelassen werden, aus der ein uneinlösbarer Anspruch erwuchs. Die industrielle Produktivgenossenschaft sollte nicht weniger als die »soziale Frage« lösen, indem sie der Reservearmee eine Erwerbsquelle böte. Das aber, so OPPENHEIMER, war unter damaligen Verhältnissen ein uneinlösbarer Anspruch. Denn alle äußeren Umstände standen gegen die industrielle Produzenten-Assoziation, weswegen auch nur wenige Unternehmungen unter großer Mühe gelangen. Ungleich leichter hätte die Reservearmee dort beschäftigt werden können, wo ihr Ursprung lag: auf dem Lande (↑ 43). Ungleich leichter zu bewältigen seien alle Organisationsanfordernisse der landwirtschaftlichen Produktivgenossenschaft. Deswegen ist das Buch, das OPPENHEIMER mit 32 Jahren schrieb, auch gar nicht so streng systematisch gearbeitet, um ein letztes Wort bezüglich der industriellen Produktivgenossenschaft sprechen zu können als vielmehr ein Aufruf zur Gründung landwirtschaftlicher Siedlungsgenossenschaften. Von diesen erwartete er sich Entscheidendes bei der Lösung der sozialen Frage. [S. 304]

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[S. 306] Von dem »Transformationsgesetz« ist zwischenzeitig einige Verwirrung ausgegangen, wenngleich es fraglos hilfreich ist, die Produktivgenossenschaft als Verkäufergenossenschaft mit ihren besonderen Verhältnissen zu sehen. Angesichts des Umstandes, daß es die Form der Produktivgenossenschaft, über die OPPENHEIMER schrieb, daß sie unmöglich sei, heute nirgends gibt, andererseits aber in Europa Produktiv-Assoziationen zu Tausenden vorhanden sind, die sich mit Recht als »selbstorganisierte Produktions-oder Produktivgenossenschaften« verstehen, sollte man die mühselige Diskussion des Themas vielleicht besser einstellen. Denn die Übung ist eine rein akademische über eine akademische Idealisierung, geführt von Akademikern mit akademischen Mißverständnissen. Dem Genossen der Produktiv-Assoziation bedeutet sie nichts, außer einen erhöhten Rechtfertigungszwang, warum es ihn denn überhaupt gebe und ob das Leben ohne kapitalistischen Aufpasser nicht ein wenig gefährlich sei. Der arme Gründungsgenosse, so schon der Selbständigkeit völlig entwöhnt, fragt dann bange zurück: „Ja, so gefährlich ist das Leben ohne Herrn?“ Und die Wissenschaft nickt einträchtig mit falschem Bewußtsein: „gefährlich, gefährlich!“ Dabei hängen die Gelehrten selber am Tropf des Staates und können sich nur selten vorstellen, etwas anderes als Herren oder Diener zu sein. Was soll von dieser Seite schon an Mut und Finesse zur Selbständigkeit des arbeitenden Menschen beigesteuert werden?

Das OPPENHEIMERsche Transformationsgesetz erinnert uns heute an den Namen eines Mannes, der zu Lebzeiten als Genossenschaftstheoretiker mit CHARLES GIDE, VAHAN TOTOMIANZ und anderen auf einer Stufe stand[597], dann aber der Verfolgung und dem Vergessen anheimfiel. Viele Einsichten hat uns OPPENHEIMER gebracht. Nichts davon ist in der Wissenschaft lebendig geblieben. Nur ein Stachel sitzt tief: das Transformationsgesetz und dessen problematische Ausdeutung in Verbindung mit einem Übertragungsfehler. Die Untersuchung des Gesetzes hat mich der OP-PENHEIMERschen Theorie zugeführt und feststellen lassen, daß ein richtig erkanntes Gesetz falsch angewendet wurde. Die Gegner der Produktivgenossenschaft sind in ihrer Freude über die vermeintliche Bestätigung ihrer Vorurteile durch das Gesetz über ihre politische Absicht hinausgeschossen und haben so den Namen eines Mannes verewigt, den sie sonst keines Blickes würdigen. Und nachfolgend haben andere, die sich um die Idee der Produktivgenossenschaft verdient machen wollten, für bare Münze genommen, was an Schriften mit der Zeit über diese Sache publiziert wurde. Doch worüber man sich auf betriebswirtschaftlicher Ebene streitet, das sind Projektionen, zu denen die Wirklichkeit Anlaß geben mag, aber zu deren Deutung von OPPENHEIMER kein abschließendes Wort gesprochen wurde. Wer in dieser Frage eine Ansicht vorzutragen hat, setze zukünftig seinen Namen darunter und führe seine Beweise für dieses oder jenes an, statt sich 100 Jahre später mit veränderten Begriffen auf ein Gesetz zu berufen, das bei Anwendung heutiger Begriffe nicht gilt. [S. 307]

3.5.3. Probleme und Perspektiven

Ich möchte bei den Produktivgenossenschaften (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) drei Problemebenen unterscheiden: eine volkswirtschaftliche, eine verhaltenspsychologische und eine betriebswirtschaftliche.

  • - Die volkswirtschaftliche Ebene ist die der Politik. Auf ihr wird die Möglichkeit einer Umwandlung der kapitalistischen Ökonomie in eine reine Ökonomie mit Hilfe der Produktivgenossenschaft diskutiert. Es geht auf dieser Ebene um sinnvolle und mögliche politische Strategien.
  • - Auf der verhaltenspsychologischen Ebene steht die Frage im Raum, wie weitgehend der wohlerzogene und in bester Absicht handelnde Mensch innerbetriebliche Realitäten gestalten kann oder äußeren Zwängen unterliegt. Wer gegen den Strom schwimmt, muß bekanntlich mehr Energie aufbringen. Entsprechende Sachverhalte sollte man nüchtern kennen und sich besonders bewußt zu ihnen verhalten, will man nicht mit dem Strom mitgerissen werden.
  • - Die betriebswirtschaftliche Ebene beschreibt schließlich die Organisation der Mittel und Methoden, wie sie jede Unternehmung -gleich welcher Art -in spezifischer Form zur Voraussetzung hat.

Im Zusammenhang mit der Figur des »Transformationsgesetzes« und der von OPPENHEIMER bevorzugten landwirtschaftlichen Arbeitervollproduktivgenossenschaft wurde die volkswirtschaftliche und die verhaltenspsychologische Ebene bereits angesprochen. Auf der betriebswirtschaftlichen Ebene stehen nun als »Standard-Probleme« der Produktivgenossenschaft seit über 100 Jahren der »Mangel an Absatz, Mangel an Kapital und Mangel an Disziplin« im Raume. Wie akut wirken sie auf die Möglichkeiten der Produktivgenossenschaft in der Gegenwart ein?

Zunächst gilt es festzustellen, daß die drei Faktoren in allen produzierenden Unternehmungen kritisch sind. Die Organisation des Absatzes ist der marktwirtschaftliche Engpaß zum Kunden. Wir haben unter Punkt 3.4.1. (↑ 272 ff) festgestellt, daß der Handel eine eigene politische Größe darstellen kann und früher die Klasse der Händler etwa Einfluß auf die Produzenten nahm, damit diese keine Konsumgenossenschaften beliefern, so wie der Handel keineswegs immer bereit ist, arbeitsteilig den Absatz von Produktivgenossenschaften zu besorgen. Der historisch beschriebene »Mangel an Absatz« ist keine spezifische Eigenschaft der Produktivgenossenschaft, sondern ein spezifisches Problem der Produktivgenossenschaft in einer kapitalistischen Klassengesellschaft. Wo der Handel frei ist, kümmert er sich nur um Qualität und Preise. Wenn eine Produktivgenossenschaft mit anderen Unternehmen vergleichbare Leistungen erbringt, genießt sie in der reinen Ökonomie auch gleiche Absatzchancen.

Mit der Beschaffung des »Kapitals« verhält es sich ähnlich. In der Vergangenheit hatten die Handwerker bei den Banken einen schweren Stand und wenig Aussicht auf Kredit (↑ 255). Das Thema ließe sich mit diesem Hinweis abschließen, da eine Vorfinanzierung bestimmter Aktionen eben von der Zuverlässigkeit der [S. 308] Erwartungen des Kreditnehmers und dem Vertrauen in die Rückzahlungsfähigkeit seitens des Kreditgebers abhängt. Kulturgleiche Gruppen vertrauen einander stärker; Gruppen des gleichen Betätigungsfeldes (Branche) können die Risiken genauer beurteilen. Einen »Mangel« der Finanzierung gibt es nur bei einem Mangel an haftendem Vermögen, irrwitzigen Projekten, die objektiv scheitern müssen, oder »gewagten« Projekten, denen subjektiv niemand vertraut. Wenn nicht klassenspezifische Gründe hinter einer Weigerung stehen, erhält jedes gute Projekt auch einen Kredit.

Was aber sind »gute Projekte«? Um diese Frage zu beantworten, ist es lohnend, den Begriff des »Kapitals« bzw. der betrieblichen Finanzierung näher zu untersuchen. Denn es gibt einen Unterschied zwischen dem »Kapital«, das Verfügungsrecht ist und der Ausbeutung eines Abhängigen dient, also den »Kapitalismus« beschreibt, und der Finanzierung eines Projektes, die in der kapitalistischen und reinen Ökonomie gleichermaßen stattfinden wird. Wegfallen werden nur die »Profite« oder »Monopolgewinne«, aber keineswegs die Kredite.

Begründung: Was der Produzent eines bestimmten Produktes benötigt, sind jene Werkgüter (Gebäude, Maschinen, Rohstoffe), die vorhanden sein müssen, bevor der Produzent seine Arbeit aufnehmen kann. Was aber sind Werkgüter, die ein Produzent in sein Produkt mit einfließen läßt? Es sind die Vorprodukte anderer Produzenten. In einem arbeitsteilig aufgebauten Produktionsvorgang eines Produktes ist dies noch relativ klar. Ein Unternehmen erhält Material angeliefert, fügt diesem einen Arbeitsschritt hinzu und reicht es an den nächsten Veredeler weiter. Wenn ein Unternehmen ein Produkt verkauft, sei es fertig oder Vorprodukt eines anderen Produzenten, dann muß der Verkaufspreis alle hinzugefügten Werte bis hinunter zum ersten Handwerker ersetzen. Gleiches aber gilt von Maschinen und Gebäuden.

Werkgüter sind Vorprodukte anderer Produzenten, die diese auf dem Markt anbieten, um anderen Unternehmen einen Dienst zu leisten. Wir werden diese Dienste annehmen, teils weil sie eine unabdingbare Voraussetzung unserer eigenen Produktion darstellen, teils weil wir damit unseren Produkten höhere Tauschwerte zufügen können, als das gekaufte Vorprodukt an Tauschwerten kostet. Die von uns beabsichtigte Tauschwerteproduktion muß im Mittel den Ertrag unserer eigenen Arbeit erbringen sowie die Leistung jener ersetzen, die wir beansprucht haben, um selber tätig werden zu können. Zweitens muß eine Zeitspanne überbrückt werden, weil der Nutzen des erworbenen Vorproduktes »Maschine« erst über einen längeren Zeitraum hinweg freigesetzt wird, der Vorproduzent seine Aufwendungen aber zum Zeitpunkt der Produktübergabe ersetzt haben will.

Der Bedarf an Vorfinanzierung oder »Kredit« seitens des Gewerbes ist eine unmittelbare Folge der gesellschaftlichen Arbeitsteilung. Überbrückt wird quasi die Abschreibungszeit langlebiger Wirtschaftsgüter und die Verweildauer unmittelbar verwendungsfähiger Vorprodukte (Lager-und Fertigungszeit). Mit anderen Worten liegt zwischen Arbeitseinsatz und fertigem Konsumprodukt eine Spanne, während derer die Güter noch nicht konsumfähig sind, sondern sich im Werden befinden. [S. 309] Diese Spanne muß mit Geduld, Vertrauen oder Kredit (credere = vertrauen) überbrückt werden, wobei die Verweildauer vorproduzierter Werte je nach Gewerbeart verschieden ausfällt. In der gesellschaftlichen Dimension betrachtet läßt sich sagen, daß im Mittel aller verwendeten Produkte zwischen Arbeit und Konsum eine wartefähige Zeitspanne organisiert werden muß, die mit dem technologischen Entwicklungsstand eines Landes ansteigt.

In einer Genossenschaftswirtschaft würden die Menschen in ihrer Eigenschaft als Produzenten die Möglichkeit ihrer Arbeit »vorfinanzieren«. Dazu bedarf es keines Geldes, sondern lediglich der Fähigkeit, die Entlohnung gewisser Vorleistungen wartefähig zu halten. Ein Kreditverbund ist aber auf alle Fälle notwendig, damit die Notwendigkeit des Wartens branchenübergreifend gemittelt werden kann und nicht etwa Maurer ihren Lohn erst nach 15 Jahren erhalten, während der letzte Verkäufer seine Arbeit sofort ersetzt bekommt. Einen »Kapitalisten«, der dem Arbeiter erst seinen Lohn wegnimmt und das so Enteignete dann mit Monopolaufschlag verleiht, benötigt eine funktionierende Ökonomie nicht. Insofern »arbeitet« das Kapital auch nicht, sondern vermehrt sich lediglich aufgrund der Ausbeutung einer von ihm selbst herbeigeführten Knappheit des Kredites (↑ 261).

In einer »laboristischen« oder »reinen« Ökonomie läßt sich unter normalen Bedingungen alles finanzieren, was aus sich heraus einer erhöhten Tauschwerteproduktion dient bzw. die eingesetzten Vorleistungen anderer Produzenten plus der eigenen Arbeit wertmäßig ersetzen kann. Da man den Erfolg einer Strategie nicht immer vorhersehen kann, gibt es fraglos ein Risiko, das in dem Preis für Kredit seine Berücksichtigung findet. Aber es gibt keine Knappheit an produktivem Kredit, wenn alle Konsumenten in ihrer Eigenschaft als Produzenten an ihrem Produktionszusammenhang interessiert sind und diesen deshalb mit zwei bis drei Monatswerken kreditieren. Ein »Mangel an Kapital« mag als »Mangel der Kreditfähigkeit« für den ausgebeuteten, völlig besitzlosen Arbeiter gelten. Wer sich aber für 35.000 DM ein Auto leisten kann, der kann auch für 150.000 DM einen Arbeitsplatz finanzieren. Schließlich »kostet« der Arbeitsplatz nichts, sondern es werden nur die Vorleistungen finanziert, die durch das Produkt ersetzt werden. »Kosten« würde nur die falsche Strategie -der Schadensfall einer verfehlten Unternehmenskonstruktion. Diesen aber kann kein Geld verhindern, sondern nur eine gewisse Übung und Kenntnis der unternehmerischen Tätigkeit.

Kommen wir zu dem dritten Punkt, dem »Mangel an Disziplin«. Es ist einigermaßen schwierig, sich darüber zu äußern, weil Eigeninteresse und Fremdinteresse unterschieden werden müssen. Wenn vor 100 Jahren über »Disziplin« gesprochen wurde, dann meinte man damit »Gehorsam« gegenüber Vorgesetzten. »Du sollst nicht denken, sondern arbeiten«, hört der Lohnabhängige heute noch als Verhaltensmaxime. Der Herr denkt, und der Untertan führt aus -hat ihm williges Instrument zu sein. Die so vollzogene Arbeitsteilung bringt Produktivitätsvorteile mit sich, wo sie rein der Arbeitsvorbereitung dient[598]. Sie wird vielfach aber schlicht [S. 310] zum Herrschaftsinstrument und unterfordert die Intelligenz der Untertanen wissentlich, weil sich die Herrschaft nur im Vollzug der Monopolisierung des Produktionswissens legitimieren kann.

Wer als Vorgesetzter und »Agent« einer herrschaftlich organisierten Unternehmung plötzlich mit gleichberechtigten Genossen verkehren soll, dem könnte eine Umstellung auf andere Arbeitsformen schwerfallen. Aus Sicht der Herrschaft ist mangelnde Unterordnung gleich »Disziplinlosigkeit«. Nun muß man aber wissen, daß die Motivation gleichberechtigter Genossen aus einem Eigeninteresse erwächst, das durch Einsichten gelenkt wird und nicht durch Unterordnung. Der Modus der Gruppensteuerung ist ein völlig anderer, nämlich im Idealfall »Selbstverantwortung und Eigeninteresse«. Der Genosse wird alles unternehmen bzw. unterlassen, was ihm bei Kenntnis der Zusammenhänge vernünftig erscheint. »Disziplin« oder »Kadergehorsam« sind das letzte, wonach man in einer Genossenschaft suchen sollte. Qualitätsmerkmale sind vielmehr Arbeitswillen, Einsatz-und Hilfsbereitschaft, Sachkenntnis, Erfahrung, Bereichsverantwortung, Einsichtsfähigkeit, Toleranz gegenüber alternativen Wegen etc.

Statt auf Disziplinierung baut die Genossenschaft auf gewählte Leiter und freiwillige Gefolgschaft.

Dabei ist die richtig verstandene Führung ein Eigenwert[599]. Die Gefahr der Verweigerung von Gefolgschaft liegt in dem Verlust des Leiters, dessen Rat oder Anweisung auf größerer Weitsicht und Wohlwollen beruhen, welche sich im nachhinein bestätigen und sich als wiederholte Erfahrung in der Form von Vertrauen oder Vertrauensvorschuß aufbauen. Eine führende Person kann auf der Basis des Vertrauensvorschusses mit Gefolgschaft rechnen, ja zuweilen sogar mit »blinder« Gefolgschaft, die solange währt, bis der Führende in Mißkredit gerät, die Interessen der Geführten verletzt und das Vertrauen verliert. Einen Leiter oder Lehrer wählt man sich in den Dingen, mit denen man selber noch nicht hinreichend vertraut ist. Wer einen Fehler zu verantworten hätte, wird froh sein, wenn ein erfahrener Mensch Teile der Verantwortung übernimmt.

Herrscher und Beherrschte handeln auf der Basis rechenbarer Tauschverträge. Zu jedem Vertrag gehört, daß man die Gültigkeit und Grenzen einer Abmachung bestimmen kann, der Gegenstand also in Zeit und Raum definierbar ist. Danach haben die Personen keinerlei Rechte mehr aneinander. [S. 311]

Die Beziehung zwischen Führendem und Geführtem steht dagegen auf einem anderen Fundament. Beiden Parteien ist klar, daß sie durch die Kooperation ein Zweck-Mittel-Optimum erreichen können. Der Führende weiß das Vertrauen des Geführten zu schätzen und behandelt dieses deswegen pfleglich. Wo es um kämpfende Verbände geht, ist dem Führenden klar, daß das eigene Überleben unmittelbar mit seiner Vertrauenswürdigkeit in kritischen Situationen verknüpft ist. Der Geführte dagegen läßt sich unter Umständen auf Handlungen ein, deren tieferer Sinn sich erst im Vollzug offenbart. »Learning by doing«, die wohl effizienteste Methode des Lernens, ist nur unter der Bedingung einer Vertrauenssituation möglich. Ein Vertrag über das, was geschieht und an Aufwand/Ertrag verbucht werden müßte, läßt sich vorab durch den Geführten nicht unbedingt einschätzen und deswegen auch nicht formulieren. Das hat weitreichende Konsequenzen.

Der Beherrschte muß damit rechnen, daß der Herrscher seine Rechte nutzt und ihm schadet. Auf eine unüberschaubare Situation gebietet ihm sein Eigeninteresse, mit erhöhter Vorsicht zu reagieren. Der Geführte weiß auch nicht, was ihm blüht, aber die wechselseitige Vertrauensbindung verpflichtet den Leiter, das Interesse des Geführten mit zu berücksichtigen. So sich diese Vertrauensbindung bewährt hat, kann der Geführte in unüberschaubaren Situationen dennoch ohne Vorbehalte handeln und unter Unsicherheit größere Energien freisetzen. Unternehmerisch handeln heißt aber immer, unter Unsicherheit handeln. Deswegen ist die Führung der Disziplin unbedingt überlegen. Woran eine Genossenschaft wirklich kranken könnte, wäre eine der Genossenschaft unangemessene Leitungsstruktur. Wenn Rechtsgleiche das Organisationsprinzip kapitalistischer Rechtsungleichheit praktizieren wollen, dann ist die Verwirrung gewiß. Organisieren sie sich dagegen als Rechtsgleiche, dann mag es für diese Organisationsform typische Probleme geben -daß nämlich während der Arbeitszeit zu viel diskutiert wird und man sich an der Ungewißheit zu lange aufhält, statt ein Wagnis einzugehen und es auszuprobieren aber grundsätzlich baut man damit auf ein anderes Prinzip und verliert nicht etwa nur. Das aber ist der Fehler der Theoretiker, die nicht sehen, was Neues kommt, wenn eine altbekannte Form weicht.

Fußnoten
[561]
GEORG W. F. HEGEL: Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte. Leipzig 1907, S. 57 f.
[562]
KLAUS NOVY und MICHAEL PRINZ: Illustrierte Geschichte der Gemeinwirtschaft. Berlin 1985, S. 17.
[563]
Einen aktuellen Überblick vermittelt WERNER W. ENGELHARDT: Zu einer Struktur-und Funktionsanalyse der Produktivgenossenschaft. In: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, Bd. 44, Heft 1/1994, S.4-27.
[564]
Vgl. HERMANN SCHULZE-DELITZSCH: Kapitel zu einem deutschen Arbeiterkatechismus (1863). In: HERMANN SCHULZE-DELITZSCH's Schriften und Reden, hrsg. von F. Thorwart, Band II, Berlin 1910, S. 26 -173, hier S. 149.
[565]
„Die erste Erzeugergenossenschaft wurde 1831 in Paris von einer kleinen Gruppe Tischler unter dem Einfluß von PH. BUCHEZ gegründet.“ VAHAN TOTOMIANZ: Grundlagen des Genossenschaftswesens. 2. neubearb. Aufl., Berlin 1929, S. 7.
[566]
Vgl. WOLFGANG BEYWL und BURGHARD FLIEGER: Genossenschaften als moderne Arbeitsorganisation. Fernuniversität Hagen 1991.
[567]
Vgl. WERNER KRUCK: Die gewerbliche Produktivgenossenschaft in Deutschland. Ein theoriegeschichtlicher Beitrag. In: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, Bd. 43, Heft 3/1993, S.197-216.
[568]
„Angewandt auf das Arbeitsverhältnis, auf die Direktionsbefugnis der Arbeitgeber, auf die Gehorsamspflicht der Arbeitnehmer, kommt man nicht umhin, dem Arbeitgeber eine Seinsüberlegenheit über den Arbeitnehmer zuzuschreiben. Diese Seinsüberlegenheit wird dann darin erkannt, daß der Arbeitgeber über Produktionsmittel verfügt, wogegen der Nur-Lohnarbeiter keine Produktionsmittel einbringt. Aus dieser angeblichen Seinsüberlegenheit wird die Befugnis des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer Weisungen zu erteilen, und die Verpflichtung des Arbeitnehmers, diese Weisung im Gehorsam entgegenzunehmen, hergeleitet. Sie werden sagen, das haben wir doch noch nie gehört! Das ist doch Unsinn! Meine Damen und Herren, ich gebe Ihnen zu, daß Sie das noch nie gehört haben. Ich habe es auch noch nie gehört; aber es steckt in allen Hinterköpfen, beispielsweise in den Hinterköpfen derjenigen, die die Mitbestimmung bekämpfen, weil die Verfügungsmacht im Unternehmen vom Eigentum ausgehen müsse und nicht von anderswoher hergeleitet werden könne. (...; hier ist) eine Reminiszenz, die in Wirklichkeit das Sklavenrecht voraussetzt, aber nichts zu tun hat mit der Rechtsbeziehung des freien Lohnarbeitsverhältnisses, in der zwei gleichberechtigte Menschen einander gegenüberstehen.“ OSWALD VON NELL-BREUNING: Der Arbeitsmarkt in individual- und sozialethischer Sicht. In: Arbeitsmarkt und Menschenwürde. Die Ökonomie auf dem Prüfstand der Ethik. Münster 1980, S. 32-47, hier S. 36 f.
[569]
Vgl. WERNER W. ENGELHARDT: Prinzipielle und aktuelle Aspekte der Produktivgenossenschaften. In: Friedrich Karrenberg, Hans Albert (Hg.), Sozialwissenschaft und Gesellschaftsgestaltung. Festschrift für Gerhard Weisser. Berlin 1963, S. 439-460, hier S. 439.
[570]
Vgl. VAHAN TOTOMIANZ: Grundlagen des Genossenschaftswesens. a.a.O., S. 25.
[571]
Ein bei dem Berliner Ingenieur-Kollektiv PSI vorliegender Fall.
[572]
Vgl. MATTHIAS SCHULTE: Anmerkungen zur Genese der Konsumgenossenschaften in Deutschland. Wuppertal 1980, S. 135 ff.
[573]
Comité Européen des Co-opératives de Production et de Travail Associé; Europäisches Komitee der Arbeits-und Produktionsgenossenschaften.
[574]
Vgl. den Vortrag von VIVIAN WOODELL, abgedruckt als Protokoll in der Tagungszeitung des Theoriearbeitskreis Alternative Ökonomie (TAKAÖ), Sommerseminar vom 13. - 22. 8. 1993 in Bad Segeberg, S. 77-79.
[575]
Vgl. ROBERT LIEFMANN: Die Unternehmungsformen mit Einschluß der Genossenschaften und der Sozialisierung. 3. Aufl., Stuttgart 1923, S. 92.
[576]
DG BANK: Die Genossenschaften ..., a.a.O., S. 85.
[577]
Angabe von ANGELIKA SCHWARZ: Änderung des Genossenschaftsgesetzes. In: procoop, Zeitschrift der Produktivgenossenschaften & Partnerschaftsunternehmen, 4. Jg., Heft 4/1993, S. 22.
[578]
ROBERT LIEFMANN: Die Unternehmungsformen, 3. Aufl., Stuttgart 1923, S. 83.
[579]
Fußnote im Zitat: „HANS FUCHS: Der Begriff der Produktivgenossenschaft und ihre Ideologie. Düsseldorf 1927, S. 34 f.“
[580]
Fußnote im Zitat: „PETER ALBRECHT: Die Produktivgenossenschaften in der Schweiz. Basel 1953, S. 18 f.“
[581]
WERNER W. ENGELHARDT: Prinzipielle und aktuelle Aspekte ..., a.a.O., S. 446 f.
[582]
DR. ENNECCERUS anläßlich der »Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Erwerbs-und Wirtschaftsgenossenschaften«. Zitiert nach einer Rede von HANS A. ENGELHARD. Abgedruckt in Erik Boettcher, Bernhard Großfeld, Helmut Wagner (Hg.): Die Genossenschaftsidee im Widerstreit der Meinungen. Münster 1984, S. 25.
[583]
LUDWIG ERHARD: Dreißig Jahre Konjunkturpolitik 1929 -1959. In: derselbe, Deutsche Wirtschaftspolitik, Der Weg der Sozialen Marktwirtschaft. Düsseldorf 1962, S. 465-471.
[584]
Vgl. ROBERT AXELROD: Die Evolution der Kooperation. München 1987, S. 7.
[585]
LUDWIG ERHARD: Dreissig Jahre Konjunkturpolitik ..., a.a.O., S. 466 f und 469 ff.
[586]
Fußnote im Zitat: „Dies ist der Grund, warum die vielzitierte Formel von ALFRED MÜLLER-ARMACK, Soziale Marktwirtschaft sei eine Verbindung von Freiheit auf dem Markt mit sozialem Ausgleich, zunehmend als problematisch angesehen wird. Vgl. insbesondere ANTON RAUSCHER: Katholische Soziallehre und liberale Wirtschaftsauffassung. In: Anton Rauscher (Hrsg.), Selbstinteresse und Gemeinwohl. Beiträge zur Ordnung der Wirtschaftsgesellschaft, Berlin 1985, S. 291.“
[587]
Fußnote im Zitat: „Vgl. GOETZ BRIEFS: Staat und Wirtschaft im Zeitalter der Interessenverbände. In: Goetz Briefs (Hrsg.), Laissez-faire-Pluralismus. Demokratie und Wirtschaft des gegenwärtigen Zeitalters, Berlin 1966, S. 31 f.“
[588]
HORST FRIEDRICH WÜNSCHE: Soziale Marktwirtschaft: Antwort auf das Problem der Grenzmoral. In: Gerhard Merk u. a., Die Soziale Funktion des Marktes, Berlin 1988, S. 75 -95, hier S. 82 f.
[589]
WERNER KRUCK: »Transformationsgesetz« ..., a.a.O., sowie WERNER KRUCK: Die gewerbliche Produktivgenossenschaft ..., a.a.O.
[590]
HANS FUCHS: Der Begriff der Produktivgenossenschaft und ihre Ideologie. Köln 1927.
[591]
HANS FUCHS: Der Begriff ..., a.a.O., S. 12.
[592]
GERHARD WEISSER: Volkswirtschaftliche Gesichtspunkte für die produktiven Hilfen des Lastenausgleiches. (Vorläufiges Gutachten auf Grund des Forschungsauftrages des Herrn Bundeswirtschaftsministers vom 28.9.1951 an das Forschungsinstitut für Sozial-und Verwaltungswissenschaften an der Universität Köln, Abt. Sozialpolitik.) In: Die Eingliederung der Kriegsgeschädigten unter besonderer Berücksichtigung der dafür geeigneten Unternehmenstypen. Gutachten, dem Hauptamt für Soforthilfe erstattet vom Institut für Selbsthilfe, Köln, in Verbindung mit dem Seminar für Genossenschaftswesen der Universität zu Köln, Köln 1952, Maschinenschrift, siehe Anhang, Zitat auf S. 9 (Punkt 20) des Gutachtens. Ebenso in GERHARD WEISSER: Produktivere Eingliederung, 2. umgearbeitete Aufl. des oben bezeichneten Gutachtens, Göttingen 1956, S. 160.
[593]
HANS FUCHS: Der Begriff ..., a.a.O., S. 35.
[594]
HANS FUCHS: Der Begriff ..., a.a.O., S. 13. Zitat ohne Quellenangabe.
[595]
FRANZ OPPENHEIMER: Die Siedlungsgenossenschaft, Leipzig 1896, Jena 1913, Jena 1922, alle drei Auflagen identisch, S. 45.
[596]
FRANZ OPPENHEIMER: Großgrundeigentum, S. 451 f.
[597]
Vgl. VAHAN TOTOMIANZ: Meine Begegnungen mit Genossenschaftlern in verschiedenen europäischen Ländern seit Ende des 19. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen, Bd. 5, 1955, S. 95 -101 und 352 -358, hier S. 96.
[598]
Vgl. HENRY FORD: Mein Leben und Werk. Leipzig 1923. Darin schreibt er: „Wir erwarten von den Leuten, daß sie tun, was ihnen gesagt wird. Unsere Organisation ist so bis ins einzelne durchgeführt und die verschiedenen Abteilungen greifen so ineinander ein, daß es völlig ausgeschlossen ist, den Leuten auch nur vorübergehend ihren Willen zu lassen. Ohne die strengste Disziplin würde völliges Chaos herrschen: Meiner Meinung nach darf es in industriellen Betrieben auch gar nicht anders sein. Die Leute sind dazu da, um gegen einen möglichst hohen Lohn eine möglichst große Menge Arbeit zu schaffen. Wollte man jeden seine Wege gehen lassen, so würde die Produktion und damit auch der Lohn darunter leiden.“ (S. 129 f)
[599]
In Deutschland haben die Faschisten den wichtigen Begriff der »Führung« leider völlig im Sinne eines »Kadergehorsams« verhunzt. Das macht es bei uns schwierig, Ordnung ohne Herrschaft zu denken, weil der Akt der freien Wahl und Zustimmung durch Unterordnungszwang kulturell ausgelöscht worden ist (siehe Punkt 4.2.1. der Arbeit ab S. 342).